SFH-13718   Österreich: Verordnete Windstille? ZEIT  ONLINE,   Von Alfred Noll 15. Mai 2014, 8:00 Uhr Editiert am 19. Mai 2014, 10:00 Uhr DIE ZEIT Nr. 21/2014
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Der Entwurf zur Aufhebung des Amtsgeheimnisses ist ein Wegwerfprodukt und zementiert die behördliche Verschwiegenheit nur noch mehr
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http://www.zeit.de/2014/21/oesterreich-amtsgeheimnis-regierung

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Österreich: Verordnete Windstille?

Der Entwurf zur Aufhebung des Amtsgeheimnisses ist ein Wegwerfprodukt und zementiert die behördliche Verschwiegenheit nur noch mehr
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Wer wählen will, braucht Informationen, wer urteilen muss, benötigt Kenntnisse – und wer zu entscheiden hat, der sollte Bescheid wissen. Transparenz ist eine unabdingbare Voraussetzung demokratischen Regierens – und wenn der in jedem Jahrfünft einmal angesetzte Wahlgang nicht zur Farce verkommen soll, dann muss Gewissheit darüber hergestellt werden, dass das Wahlvolk weiß, was die Staatsgewalt so treibt.

Wer aber, verleitet durch die Ankündigungen der Regierung, gehofft hatte, dass bald ein frischer Wind durch die Amtsstuben fegen würde, hat sich getäuscht. Was derzeit als neue Grundlage der Informationsfreiheit angeboten wird, ist eine Befestigung der amtlichen Verschwiegenheit. Das Amtsgeheimnis soll zwar formal aus der Verfassung eliminiert werden, tatsächlich aber findet sich alter Wein im neuen Schlauch.

Die gesetzliche Fixierung eines umfassenden Informationsrechtes würde zwar die Zustände in » Österreich nicht unmittelbar verändern, aber es würde eine Weichenstellung erfolgen: Bis jetzt ist die Informationspolitik der Ämter und Behörden unzureichend, unvollständig und mitunter sogar widersprüchlich, oft stehen die Eigeninteressen der politischen Parteien einer transparenten Informationspolitik im Wege.

Schon vor der letzten Wahl haben sich die Koalitionsparteien prinzipiell darauf geeinigt, das Amtsgeheimnis abzuschaffen. Es ist ihnen aber nicht gelungen, man konnte sich über den Umfang eines künftigen Informationsrechtes nicht einigen. Das war aber nur die offenkundig gemachte Ursache des Scheiterns. Der eigentliche Grund lag in der mangelnden politischen Entschlossenheit, die Sache voranzutreiben.

Wenn es nun doch zum Entwurf einer Verfassungsnovelle zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses gekommen ist, dann ist das einerseits der Erkenntnis geschuldet, dass Österreich internationalen Standards um Jahrzehnte hinterherhinkt und informationsrechtlich ein Entwicklungsland ist. Das jährlich veröffentlichte » Right to Information Ranking sieht Österreich unangefochten an 97. Stelle – von 97 untersuchten Staaten! Dass heute ein Entwurf diskutiert wird, das liegt andererseits aber auch am Forum Informationsfreiheit, das mit der Initiative transparenzgesetz.at beharrlich, sachkundig und in einer breiteren Öffentlichkeit vernehmlich Druck auf die Politik entwickelte.

Gemäß dem neuen Artikel 22a Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz würden zwar alle Bundes- und Landesorgane verpflichtet, Informationen "von allgemeinem Interesse" in einer für alle zugänglichen Art und Weise zu veröffentlichen; und mit dieser Verpflichtung korrespondiert im nachfolgenden Absatz das jedermann zustehende "Recht auf Zugang zu Informationen". Was auf den ersten Blick entschlossen anmutet, wird sofort wieder zurückgenommen. Denn die Verpflichtung zur Veröffentlichung und das Recht auf Zugang zu diesen Informationen stehen unter einem generellen Gesetzesvorbehalt: Es wird nämlich dem Bundes- und Landesgesetzgeber die Entscheidung übertragen, weiterhin die Geheimhaltung von Informationen anzuordnen.

Nun mag man vielleicht noch Einsehen dafür haben, dass etwa die nationale Sicherheit und die umfassende Landesverteidigung Gelegenheit bieten, den generellen Informationsanspruch zu beschränken. Die Liste der Ausnahmen aber ist so lang und diffus, dass es letztlich vollständig dem einfachen Gesetzgeber überlassen bleibt, bei welcher Gelegenheit und aus welchem Anlass er den verkündeten Informationsanspruch wieder zunichte macht.

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Was hat man sich unter "zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen" vorzustellen? Was passt nicht alles unter die postulierte "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit"? Was fällt weiters unter die "Vorbereitung einer Entscheidung", unter die "wirtschaftlichen oder finanziellen Interessen einer Gebietskörperschaft" oder unter die "Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen" oder gar unter die Wahrung "gleich wichtiger öffentlicher Interessen"?

Schon das Missverhältnis zwischen verfassungsrechtlich eingeräumtem Informationsrecht und den erlaubten Ausnahmen macht den ganzen Entwurf zu einem Wegwerfprodukt: Es fehlt an dem ernsten Willen, etwas zu ändern. Das » Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte hat deutliche Worte gefunden: Solange man nicht wisse, welche bundes- und landesgesetzlichen Regelungen dem geänderten Verfassungsgesetz nachfolgen, sei eine seriöse und verlässliche Beurteilung der vorgeschlagenen verfassungsrechtlichen Bestimmungen nicht möglich!

Mehr noch: Der Entwurf verzichtet darauf, festzulegen, dass Informationen, deren Aufbereitung, Erstellung und Sammlung durch Steuermittel finanziert wurden, den Bürgerinnen und Bürgern auch niederschwellig zugänglich gemacht werden müssen. Es bedürfte einer zentralen, elektronisch durchsuchbaren Erfassung aller Informationen in einem Transparenzregister, und für Statistiken und ähnliche Daten müsste jedenfalls die maschinelle Lesbarkeit und Auswertbarkeit sichergestellt werden.

Der Entwurf ist auch der Versuchung erlegen, die Föderalisierung des Informationswesens beizubehalten – obwohl man durch entsprechende Kompetenzbestimmung für eine bundesweit einheitliche Regelung des Informationsrechts hätte sorgen können. Der vorgesehene Rechtsschutz ist nicht nur an sich defizitär, im Entwurf ist auch keine eigene Behörde ("Beauftragter für Informationsfreiheit") vorgesehen, wie man sie etwa in » Slowenien kennt.

Alles das ist nicht legistische Unfähigkeit, sondern der Ausweis mangelnder politischer Bereitschaft, substanziell Neues auf den Weg zu bringen. In einer Zeit, in der sich Staatsvolk und Parlament gegenüber der Exekutive zunehmend im Status der Subalternität befinden, ist dieser Entwurf ein machtpolitischer Anschlag: Die Exekutive will sich die arcana imperii weiterhin erhalten – und das Parlament schweigt.


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