SFH-1414450 Grasser-Prozess: Angebote für Bundeswohnungen kamen per Fahrradbote,
Posting Dr. Lederbauer vom 17.3.2019 01.00 Uhr

Der frühere Kabinettschef im Finanzministerium, Heinrich Traumüller, war bei der Bekanntgabe der ersten Angebote im Juni 2004 dabei. Ein Angebot kam 14 Minuten zu spät.

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Heinrich Traumüller
Heinrich Traumüller – (c) Hans Punz, APA

Zum zweiten Mal binnen drei Tagen war der frühere Kabinettchef im Finanzministerium und Buwog-Projektleiter, Heinrich Traumüller, am Donnerstag als Zeuge in das Wiener Landesgericht für Strafsachen geladen. Der Grund: Seine Befragung über Vorgänge rund um die Privatisierung der Bundeswohnungsgesellschaften im Jahr 2004, konnte am Dienstag nicht abgeschlossen werden. Hatte er damals vor allem erläutert, welche Vorgaben ihn der damalige Minister und heutige Hauptangeklagte Karl-Heinz Grasser für die Privatisierung mit auf den Weg gegeben habe (u.a. » „Er wollte nicht auf einem Teil der Gesellschaften sitzen bleiben."), stand am Donnerstag die Anbotsöffnung im Zentrum.

Zunächst schilderte Traumüller, wie die Angebote für die Bundeswohnungen am 4. Juni 2004, an einem Freitag, bei einem Notar in Wien einlangten: per Fahrradboten kurz vor Ende der Anbotsfrist um 15 Uhr. Ein Anbot sei erst um 14 Minuten verspätet eingelangt. Traumüller war als Vertreter des Ministeriums bei der Anbotsöffnung im Büro des Notars. Der Notar habe die Anbotspreise der Bieter für die Bundeswohnungen (insgesamt fünf Gesellschaften, darunter die Buwog und die ESG Villach) mit und ohne ESG Villach, sowie für die Darlehen dargestellt. Eine Reihung der Bieter habe der Notar nicht vorgenommen, obwohl er, Traumüller, damit gerechnet hatte, sagte der Zeuge.

(Kommissions-)Sitzung

Dann erzählte der 61-Jährige, dass am 7. Juni 2004 eine weitere Sitzung abgehalten wurde, im Zuge derer die Entscheidung für eine zweite Bieterrunde fiel. Allerdings: Dabei handelte es sich um keine Sitzung der Auswahlkommission. Vielmehr habe es sich um eine Präsentation der Anbote durch die Berater der mit der Abwicklung beauftragten Investmentbank Lehman Brothers gehandelt, so Traumüller. Dann fügte er aber noch an, es sei die Sitzung einer Kommission nach § 8 Bundesministeriengesetz, denn der Minister könne jederzeit eine Kommission bilden.

Traumüller sagte aus, er wisse bis heute nicht, was genau mit "Finanzierungszusage" im Angebot der CA Immo für die Bundeswohnungen gemeint sei. Diese Finanzierungszusage betrug 960 Mio. Euro - das war die Zahl, die an die Immofinanz weitergegeben wurde. Da die Immofinanz mit dem Österreich-Konsortium in der zweiten Bieterrunde dann knapp über 960 Mio. Euro bot, bekam sie den Zuschlag. Laut Aussagen im Prozess hatte Peter Hochegger der Immofinanz kurz zuvor gesagt, sie solle über 960 Mio. Euro bieten, die Info kam von Walter Meischberger. Grasser bestreitet, die Information an Meischberger weitergegeben zu haben, wie die Anklage im Korruptionsprozess behauptet. Als Gegenleistung für den Gewinn des Vergabeverfahrens floss ein Prozent des Kaufpreises, also 9,6 Mio. Euro Provision.

Richterin Marion Hohenecker ging mit Traumüller die einzelnen Schritte der Privatisierung in der heikelsten Phase durch. Traumüller war am 4. Juni 2004, einem Freitag, bei der Öffnung der Angebote durch einen Notar als Vertreter des Finanzministeriums dabei. Später an dem Tag habe er noch ein etwa zehnminütiges "unspektakuläres" Gespräch mit Grasser gehabt, dem er von der Anbotsöffnung berichtet habe und gesagt habe, "freu dich", es gehe in Richtung einer Milliarde. Konkretere Zahlen oder eine Bieterreihung habe er ihm aber keine genannt, sagte Traumüller heute. "Das war kein Thema, mein Thema war, dass es Unsicherheiten bei einem Bieter gibt". In seinen Notizen von dem Treffen mit "HBM" (Herr Bundesminister) schrieb Traumüller auch von einer möglichen weiteren Verhandlungsrunde. Er wisse nicht mehr, wer eine mögliche zweite Runde aufgebracht habe. Bei dem Treffen sei auch Grassers damaliger Kabinettschef Matthias Winkler dabei gewesen.

Am Wochenende habe er sich dann nicht mit dem Privatisierungsverfahren beschäftigt, erst wieder am Montag, dem 7. Juni 2004, wo um 8.30 Uhr eine Sitzung im Gelben Salon des Finanzministeriums stattgefunden habe. Den Teilnehmern wurden dort von den Experten von Lehman Brothers die Ergebnisse der ersten Anbotsrunde präsentiert. Die Experten hätten eine zweite Runde empfohlen, weil sie meinten da wäre noch ein höherer Preis möglich, und Grasser habe es so entschieden, sagte Traumüller. Dieses Treffen im Gelben Salon war laut Traumüller eine Sitzung, laut einem anderen bereits befragten Zeugen aber keine Kommissionssitzung. "Es gibt Divergenzen, was jetzt eine Sitzung ist und was nicht", kommentierte die Richterin. Anwesend waren laut Traumüller neben Grasser u.a. auch Staatssekretär Alfred Finz (ÖVP) und der FPÖ-Abgeordnete Detlev Neudeck.

"Stimmung der Überraschung" nach "Finanzierungszusage"

Traumüller sagte, dass die Sitzungsteilnehmer sehr überrascht gewesen seien, dass der Bieter CA Immo eine "Finanzierungszusage" vorlege. Das habe er an der Mimik der Teilnehmer erkannt. Im Raum sei eine "Stimmung der Überraschung" gewesen, dass die CA Immo diese Zahl herausgebe. In dieser Phase der Privatisierung sei jede Zahl "Insiderwissen", meinte er. Im Verlauf der Befragung sagte er dann wiederum, die Finanzierungszusage sei "keine große Sache" gewesen.

Für den Nachmittag ist der ehemalige Bautensprecher der FPÖ, Detlev Neudeck, geladen. Er war laut Aussage Traumüllers bei der Sitzung am 7. Juni dabei, obwohl er nicht Teil des Ministeriums und der Vergabekommission war.

Causa Buwog - auf einen Blick

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft geht davon aus, dass rund um die Privatisierung der Bundeswohnungen im Jahr 2004 Bestechungsgeld geflossen ist (9,6 Millionen Euro). Gekommen sein soll das Geld von dem im Bieterverfahren siegreichen Österreich-Konsortium um Immofinanz und RLB OÖ – geflossen über Umwege auf diverse Konten. Die Zahlung ist seit 2009 erwiesen, offen ist die Frage: Hat der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser Informationen weitergegeben, um sich (und andere) zu bereichern? Und: Teilten sich Grasser, sein Trauzeuge Walter Meischberger, der Immobilienmakler Ernst Karl Plech und der Lobbyist Peter Hochegger die Provision auf?

Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe, lediglich Peter Hochegger legte ein Teilgeständnis ab. Es gilt die Unschuldsvermutung.

(APA/hell)

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Posting Dr. Lederbauer vom 17.3.2019 01.00 Uhr

" ..» Er wollte nicht auf einem Teil der Gesellschaften sitzen bleiben..."


Um die Causa " Verkauf der Bundeswohnbaugesellschaften - in den Medien kurz " BUWOG" zu überblicken, muss alles betrachtet werden. ZB.: Der Regierungsbeschluss über den Verkauf, die Debatten im Parlament, die Interessentensuche,  der Einsatz des Beraters ( Leman Brothers ), die Wahrnehmungsberichte des Rechungshofs unter Dr. Fiedler  an das Parlament, der Wahrnehmungsbericht des Rechungshofs unter Dr. Moser  an das Parlament usf.

Vgl.:


13.11.2011 | » 314 Fall 14 - BUWOG
» SFH-4440 Umfassende Sachverhaltsdarstellung, Langfassung, Verkauf der Bundeswohnbaugesellschaften " Kapitel 1- 36 von Dr. Lederbauer Stand 11.11.11. 11.11 Uhr
Umfassende Sachverhaltsdarstellung ( Langfassung) zur Causa Verkauf von Bundeswohnungen unter Berücksichtigung einer detallierten Analyse der Wahrnehmungsberichte des Rechnungshofs über den „Verkauf der BUWOG" und den „Verkauf der Bundeswohnbaugesellschaften" sowie des Berichts des Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofsausschusses, des Minderheitsberichts der Berichte des Rechnungshofsausschusses, sowie der Diskussionen im Plenum des Nationalrats unter Berücksichtigung aller Protokolle und aktueller Medienberichte. Copyright by Dr. Wolfgang Lederbauer

http://www.so-for-humanity.com2000.at/index.php?modul=content&rubrik=291&aid=5223&page=5


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Interessante Postings

josef 71

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Für mich wird die Suppe immer dünner,
Kronzeuge der Anklage hat selbst mit einem Finanzstrafverfahren zu rechnen .
Jeder würde in welcher Form immer „Mildernde Umstände" herbeischaffen versuchen.


Synopistikos
2

Ja eh: Grasser, Meischberger, Plech und Hohenegger.

Mich beunruhigt eher folgende Passage der gestrigen Vernehmung:
Ramprecht gibt an, eine ORF-Journalistin habe ihn darüber informiert, dass Herr Meischberger in Belgien Kontakte zu einer Firma gesucht habe, die für "Unfälle" spezialisiert sei. Daraufhin muss die Richterin erst von Anwälten aufgefordert werden, dass sie den Zeugen veranlasst, den Namen der Journalistin zu nennen.
Und weder gestern, noch heute gibt es dazu irgendeine Frage an Herrn Meischberger, der als Angeklagter im Saal sitzt. Auch von einer Ladung der ORF-Journalistin ist keine Rede. Da geht es um eine vom einzigen nennenswerten Belastungszeugen vorgebrachte Aussage, dass er mit Mord bedroht sein könnte, er selbst nennt den Namen der Journalistin nur nach dem Hinweis, dass er "extreme Angst" verspüre, und es geschieht nichts ??? Äußerst seltsam.

Ka_Sandra
0

Warum hat Ramprecht nicht selbst vorgeschlagen, dass die Staatsanwälte in dieser Richtung tätig werden?

Wenn da etwas dran ist, wäre das ja ungeheuerlich!


Michael Hasenöhrl
3

Das Angebot des Österreich-Konsortiums haben also gekannt: Mitarbeiter des Österreichs-Konsortiums, des Notariats, des Ministeriums... Warum soll ausgerechnet Grasser es verraten haben?

Gerald
6

Sowie die Bieter selbst. Denn wie im letzten Absatz steht, hat der Bieter CA Immo seine Finanzierungszusage in Höhe von 960 Mio € öffentlich abgegeben. Dadurch wussten die anderen dann was sie überbieten müssen. Warum die seltsame Staatsanwaltschaft da immer noch glaubt, Grasser habe das weitergegeben ist wirklich mehr als dubios.

Wueterrich
0

Ging es nicht um die Desavouiert oder besser um die Vernichtung eines Finanzministers der Schüsselregierung, wäre das Verfahren gegen Schüssel längst eingestellt: es ist schon seltsam, wenn ein Strafverfahren ohne stichhaltige Beweise 10 Jahre und vermutlich noch viele weitere Jahre ins litzblaue geführt wird. Nach dem wenig straff geführten Beweisverfahren wird man vermutlich noch ein Jahr auf das erstinstanzliche Urteil warten müssen! Und dann kommt noch das RECHTSMITTELVerfahren... Und dann allenfalls eine Verfahrenswiederholung in 1.Instanz! Und wenn sie nicht verstorben sind, dann prozessieren wir auf Kosten der Steuerzahler noch heute...
Welche Resourcenverschwendung!

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