SFH-141573  Plan gegen Plastik Lob von NGOs, Handel legt sich quer,  7. September 2020, 19.56 Uhr, https://orf.at/stories/3180399/

Der Dreipunkteplan zum Kampf gegen Plastik von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat zahlreiche Reaktionen ausgelöst. Während NGOs und Arbeiterkammer (AK) den Plan lobten, legten sich die Wirtschaftskammer (WKÖ) und der Handelsverband quer. Gewessler hatte zuvor eine Quote für Mehrwegflaschen, ein Pfand auf Einwegflaschen und eine Abgabe auf Herstellung und Import von Kunststoffen angekündigt.

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Entrüstet zeigten sich am Montag etwa WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf, WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik und Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. „Ein Belastungspaket im ökologischen Mäntelchen ist die falsche Maßnahme zum falschen Zeitpunkt. Weder braucht es eine Kunststoffsteuer noch Preisaufschläge für recycelbare Verpackungen noch eine Pfandeinhebung", so Kopf. Gewessler würde den Inlandskonsum zu einem Zeitpunkt verteuern, an dem sich die Regierung „bemüht, ihn anzukurbeln".

Der Handel soll laut Plan verpflichtet werden, bei Getränkeverpackungen ab 2023 mindestens 25 Prozent Mehrwegflaschen zu verkaufen. Der Anteil soll 2025 auf mindestens 40 Prozent, 2030 auf mindestens 55 Prozent steigen. „Die Bringschuld liegt beim Handel", so Gewessler zur Überprüfung der Quote. Grundsätzlich soll es in jedem Geschäft Mehrwegflaschen geben, Ausnahmen seien für kleinere Geschäfte angedacht.

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Handel von Vorgang überrascht

„Die Entscheidung, ob Mehrweg gekauft wird, liegt ja nicht bei uns, sondern beim Konsumenten", so Trefelik: „Was der Handel tun kann, ist, Mehrweg als Alternative zum Einweg anzubieten. Das machen wir bisher schon und werden wir in Zukunft noch verstärkt tun." Alle drei von der Klimaschutzministerin vorgeschlagenen Punkte würden aber zu enormen Belastungen für den Handel führen.

Der Handelsverband zeigte sich überrascht, dass im Vorfeld keine stärkere Einbeziehung der betroffenen Betriebe erfolgt sei. Von einer „gesetzlich verpflichtenden Mehrwegquote" halte man nichts, sagte dessen Geschäftsführer Will in einer Stellungnahme. „Diese würde vor allem in Kombination mit einem Einwegpfandsystem viele kleine Lebensmittelhändler stark belasten und damit die Nahversorgung gefährden", so Will zudem.

Dem ÖVP-Wirtschaftsbund zufolge würde ein Einwegplastikpfand – dessen Höhe steht aktuell noch nicht fest – vor allem kleine Lebensmittelhändler und Nahversorger treffen, die schon wegen der Coronavirus-Krise litten.

Umweltministerin Leonore Gewessler
picturedesk.com/Tobias Steinmaurer
Klimaschutzministerin Leonore Gewessler setzt im Kampf gegen Plastikmüll auf Pfand, Quoten und Abgaben

AK sieht „Meilenstein"

Neben der Quote für Mehrwegflaschen und dem Pfand auf Einwegflaschen will die Ministerin von Importeuren und Produzenten von Plastikverpackung 80 Cent Abgabe je Kilogramm verlangen. Allerdings soll diese Abgabe nach ökologischen Kriterien gestaffelt werden und bei hohen Sammelquoten sinken.

Auch die EU verlangt 80 Cent je Kilogramm für nicht wiederverwerteten Kunststoff von den Mitgliedsländern. Da Österreich derzeit die geforderten Sammelquoten nicht erfüllt, drohten laut Ministerium Strafen von 160 bis 180 Mio. Euro. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) hatte angekündigt, diese Summe aus dem Budget und damit mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu begleichen – Gewessler sagte, sie sei da „anderer Meinung".

Die Arbeiterkammer bezeichnete die Vorschläge – insbesondere die Herstellerabgabe – als „Meilenstein". Die Herstellerabgabe auf Plastikverpackungen folge dem Verursacherprinzip: Das „regt ein Umdenken bei den Lebensmittelkonzernen an", sagte Werner Hochreiter von der AK-Abteilung Umwelt und Verkehr.

Lob von Greenpeace und Global 2000

Die Umweltschutzorganisationen Global 2000, Greenpeace und WWF begrüßten Gewesslers Maßnahmenpaket indes als ersten Schritt in die richtige Richtung. Global 2000 forderte neben dem Einwegpfand eine verpflichtende, noch stärkere stufenweise Erhöhung der Mehrwegquote auf 50 Prozent bis 2025, auf 70 Prozent bis 2030 und auf 90 Prozent bis 2035. Eine von Global 2000 mit beauftragte Umfrage ergab überdies, dass unter 1.000 Befragten 86 Prozent möchten, dass mehr als bisher gegen die Plastikverschmutzung unternommen wird, und 83 Prozent ein Pfandsystem befürworten.

Zu Blümels Vorstoß meinte Lena Steger, Global-2000-Ressourcensprecherin: „Es wäre ein fatales Zeichen, wenn die SteuerzahlerInnen für nicht recyclingfähiges Plastik bezahlen sollen. Nur die Produzenten haben es in der Hand, recyclingfähiges Plastik zu produzieren. Würde die Plastiksteuer mit unserem Steuergeld beglichen, hätte dies keinerlei Lenkungsfunktion hin zu Ressourcenschonung."

Lob für Gewesslers Dreipunkteplan kam auch von Greenpeace. „Mit diesem Plastikplan führt an Mehrweg in Österreich kein Weg mehr vorbei", so Lisa Panhuber, Konsumexpertin bei Greenpeace Österreich, in einer Aussendung. „Die von den Diskontern oft vorgeschobene Verzögerungstaktik ‚Warten auf die Politik' muss jetzt ein Ende finden. Auch die ÖVP muss jetzt mitziehen und darf sich nicht mehr gegen Mehrwegquoten und Pfand stellen", so Panhuber, „sonst trägt sie die Schuld daran, dass die Plastikmüllberge weiter wachsen."

Chemische Industrie baut auf Kreislaufwirtschaft

Der Konsument sei Ursache dafür, dass der Abfall zu selten den Weg in den Kunststoffkreislauf finde, stellte hingegen der Fachverband der Chemischen Industrie (FCIO) fest. Es brauche Investitionen, um die Sammel-, Sortier- und Recyclingkapazitäten zu erhöhen.

„Der beste Weg, Kunststoffabfälle zu reduzieren, liegt im Auf- und Ausbau einer Kreislaufwirtschaft. Wir müssen die hohe Rezyklierbarkeit des Werkstoffes ausnützen und ihn so oft wie möglich im Kreislauf führen", so könnten Ressourcen und Energie gespart werden, und „eine deutliche Steigerung von Kunststoffrecycling ist in Österreich möglich, dafür müssen aber alle betroffenen Gruppen in Politik und Wirtschaft zusammenarbeiten", so Christian Gründling, stellvertretender Geschäftsführer des FCIO.

Ablehnend stehe die chemische Industrie der Herstellerabgabe aufgrund der EU-Plastiksteuer gegenüber, „da damit kein Lenkungseffekt im Bereich Littering zu erwarten ist".

„Visionäres Gesamtkonzept erforderlich"

Die ÖPG Pfandsystemgesellschaft begrüßt den von Gewessler präsentierten Plan. Vor allem der Ausbau der verpflichtenden Quote auf Mehrwegverpackungen bis 2023 bzw. 2030 sowie die Einführung eines modernen Pfandsystems seien gewaltige Schritte in Richtung Umstrukturierung der österreichischen Kreislaufwirtschaft. Keine Einzelmaßnahmen, sondern „ein visionäres Gesamtkonzept" sei erforderlich, kommentierte die Altstoff Recycling Austria (ARA) die Pläne Gewesslers.

FPÖ ortet Täuschung, SPÖ sieht ÖVP-Blockade

Auch die Politik reagierte. FPÖ-Umweltsprecher Walter Rauch hält die Forderung nach einer Mehrwegquote für ein „reines Täuschungsmanöver". In einer Aussendung heißt es: „Ich hätte mir erwartet, dass heute der Fahrplan für die Einführung des Plastikpfandes präsentiert wird. Leider wurden wir aber Zeugen davon, wie die Grünen einmal mehr vor den Pfandgegnern der ÖVP eingeknickt sind."

SPÖ-Umweltsprecherin Julia Herr forderte indes eine Ende der „jahrzehntelangen Blockadepolitik der ÖVP", denn Pfand sei für Österreich die billigste, einfachste und umweltfreundlichste Lösung, die EU-Ziele für Plastikverpackungen umzusetzen. Das ergebe selbst die Studie, die noch unter ÖVP-Umweltministerin Elisabeth Köstinger in Auftrag gegeben wurde.

Gesetzesnovelle soll demnächst in Begutachtung gehen

Für die Mehrwegquote und das Pfand auf Einwegflaschen kann es schnell gehen, beides soll in der Novelle zum Abfallwirtschaftsgesetz festgeschrieben werden, die „in den nächsten Wochen" in Begutachtung gehen soll. Über die Ausgestaltung des Pfandsystems gebe es mit den Beteiligten seit Juli Gespräche, so Gewessler. In Österreich fallen derzeit jährlich 900.000 Tonnen Plastikmüll an, davon 300.000 Tonnen Verpackungsmaterial, davon wiederum 45.000 Tonnen Getränkeverpackungen. Wobei für Tetrapack-Verpackungen derzeit kein Pfand angedacht ist.

Österreich produziert im EU-Vergleich laut der Umweltschutzorganisation Greenpeace eine überdurchschnittlich hohe Menge Kunststoffmüll pro Kopf. Jedes Jahr fallen hierzulande pro Kopf 42 Kilogramm Plastikmüll an. Das seien 24 Prozent mehr als der europäische Schnitt. Nur drei EU-Mitgliedsstaaten produzierten Greenpeace zufolge noch mehr Plastikmüll pro Kopf als Österreich. Gleichzeitig recycelt das Land nur rund ein Drittel seines Plastikmülls.

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