SFH-813832  Hypo-Bericht: Wie hat Frau Griss das geschafft?
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Die ehemalige Höchstrichterin der Republik, Irmgard Griss, hat gestern den 344 Seiten starken Bericht der Hypo-Untersuchungskommission veröffentlicht, man findet ihn hier zum Download -> » Bericht-Hypo-Untersuchungskommission
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http://www.dernaro.at/blog/hypo-bericht-wie-hat-frau-griss-das-geschafft/

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Die ehemalige Höchstrichterin der Republik, Irmgard Griss, hat gestern den 344 Seiten starken Bericht der Hypo-Untersuchungskommission veröffentlicht, man findet ihn hier zum Download -> » Bericht-Hypo-Untersuchungskommission

Der Bericht dominiert heute alle Tageszeitungen, gestern war » Frau Griss in der ZiB2 zu Gast. Sie erklärte, wie die Politik im Hypo-Bankendesaster versagte und warum die Steuerzahler dafür Milliarden Euro blechen müssen. Es war ihre große Stunde. Dabei hätte Griss die Herkules-Aufgabe vor ein paar Monaten fast abgelehnt. Warum? Und wie gelang es der Richterin schließlich, sich in so kurzer Zeit durch die tonnenschweren Aktenberge zu kämpfen? Wieviel Geld hat sie dafür vom Staat bekommen? Und war die Causa Hypo ihr schwerster Fall?

Im Sommer besuchte ich die bewundernswerte Frau Griss im Finanzministerium. Der folgende » Falter-Artikel (erschienen in Ausgabe 27/14) beantwortet alle Fragen.

Kurze Werbeeinschaltung: In der aktuellen Falter-Nummer (Ausgabe 49/14) finden Sie ein sehr spannendes Dossier über den mysteriösen Milliardär und österreichischen Waffenproduzenten Gaston Glock, für die Kollege Wolfgang Zwander in Kärnten und den USA recherchierte. Weiters erfahren Sie in einem Artikel von mir, warum spielsüchtige Häftlinge gegenüber drogensüchtigen Häftlingen noch immer diskriminiert sind und nur schwer aus dem Kreislauf Spielsucht – Diebstahl – Häfn – Spielsucht herauskommen. Den Falter gibt's am Kiosk. Werbeeinschaltung Ende.

Eine Richterin, standhaft im Sturm

Irmgard Griss beißt sich durch den Hypo-Skandal. Wie will sie das in so kurzer Zeit schaffen?

Man soll nicht schreiben, in welchem Stock ihr Büro liegt – und bitte auch kein Foto von dort veröffentlichen. Seit zwei Monaten werkt Irmgard Griss hoch oben im Turm des Finanzministeriums, sie hat hier ihre eigene autonome Enklave geschaffen, eigene Mitarbeiter, eigenes Computernetzwerk, eigene E-Mail-Server. Ein eigener IT-Techniker hat alles vom Finanzministerium abgeschottet. Sie selbst arbeitet gratis
-so kann niemand sagen, sie mache es des Geldes wegen.

Griss ist um größtmögliche Unabhängigkeit bemüht, nur so kann das Ganze glücken. Es geht um die Aufarbeitung des größten Wirtschaftsskandals der Zweiten Republik, um die Hypo Alpe Adria. Und weil auch die Regierung samt Finanzministerium selbst in der Kritik steht, ist die Sache heikel.

Heuer im Frühjahr drängten die Oppositionsparteien in ungewohnter Eintracht auf einen Hypo-Untersuchungsausschuss und erhöhten den Druck so sehr, dass Finanzminister Michael Spindelegger eine Ausflucht suchte. Er berief eine unabhängige Untersuchungskommission, leiten sollte sie Irmgard Griss, die ehemalige OGH-Präsidentin. Spindelegger schickte Justizminister Wolfgang Brandstetter vor, der erwischte Griss zu Hause am Telefon. Er drängte auf eine Entscheidung, Griss' Mann riet ihr ab. "Er hat gesagt: Mach's nicht! Das ist ja höchst riskant." Auf dem Spiel stand Griss' exzellenter Ruf als unabhängige Richterin. Sie überschlief das Angebot -und sagte zu. "Die Aufarbeitung interessiert mich, sie ist eine große Herausforderung. Und ich sehe es als Dienst an der Gesellschaft."

Von Beginn an stand sie im Sperrfeuer der Kritik. Erst schoss sich die Opposition auf sie ein, dann stellten ihr die Medien regelmäßig die "Feigenblatt"-Frage. Sie klang stets anders, aber im Kern lief sie immer auf dasselbe hinaus: "Sind Sie nicht ein Feigenblatt der Regierung?" Am Ende machte sich selbst der Vorsitzende der Richtervereinigung, Werner Zinkl, für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss anstatt einer Kommission stark. Schließlich seien die Befragten vor einer Kommission nicht zur Wahrheit verpflichtet. Griss sagt: "Es ist kein Entweder-oder." Die Ergebnisse der Kommission könnten später dem U-Ausschuss dienen.

Noch heuer will sie den Bericht veröffentlichen. Aber bei einem Fall wie der Hypo, wo sich die Akten tonnenweise stapeln – wie soll sich das bloß ausgehen?

"Wir lassen uns nicht mit Akten zuschütten und kriegen dann keine Luft mehr, sondern gehen ganz gezielt vor", sagt Griss.

"Also welche Fakten brauchen wir, um den Auftrag zu erfüllen? Da können wir uns nicht ins letzte Detail verlieren. Das verlangt auch kein Mensch."

Vier Abschnitte will die Regierung von ihr untersucht wissen, sie hat sie in einem eineinhalbseitigen Ministerratsvortrag festgehalten. Erstens die Ära Haider, in der das Land Kärnten unbeschränkte Haftungen für die Bank übernahm. Zweitens der Verkauf der maroden Bank an die BayernLB. Drittens die Notverstaatlichung der Bank durch die rot-schwarze Regierung. Und schließlich das Vorgehen der Regierung nach der Notverstaatlichung.

Rund 30 Menschen, die in der Hypo-Causa zu tun hatten, haben mittlerweile an ihrem Besprechungstisch im Ministerium Platz genommen
-Finanzmarktaufsicht, Nationalbank, Ministerium, frühere Hypo-Vorstände. Ihre Aussagen sind exzerpiert, sie finden sich auf einer Zeitleiste. Zu jeder Ära wird das Material gesammelt; Aktenvermerke, Berichte, Korrespondenzen. Sachen zu strukturieren, das ist Griss schon immer gelegen.

Keinen Fehler erlaubte sie sich bisher in der Hypo-Aufarbeitung, auch deshalb, weil sie vor ihrem Antritt die richtigen Bedingungen gestellt hat: Der Bericht wird veröffentlicht, egal wie schlecht die Regierung dabei wegkommt. Wenn sie von irgendjemandem behindert wird, wird sie das Amt sofort niederlegen – das wäre freilich das mediale Armageddon für die Regierung. Und schließlich konnte sie die Kommission zusammenstellen.

Lange suchte sie dafür in Österreich nach geeigneten Experten, aber "das glaubt man nicht, wie viele Leute hier in der Hypo-Sache beteiligt waren -als Gutachter, Berater oder Vertreter". Deshalb sitzen heute neben Griss vier Fachleute aus dem deutschsprachigen Ausland in der Kommission, darunter auch Ernst Wilhelm Contzen, Präsident der Luxemburger Bankenvereinigung und bis zum Vorjahr CEO der Deutschen Bank in Luxemburg.

Sein Beispiel zeigt, wie sehr die Kommission unter Beobachtung steht. Der grüne Hypo-Aufdecker Werner Kogler forderte Contzens Rücktritt, weil dieser bis vor kurzem im Verwaltungsrat einer Investmentfirma saß, die Hypo-Anleihen hielt. "Aber es sind nur 0,3 Promille des Gesamtportfolios", sagt Griss. "Der Vorwurf, Contzen sei beeinflusst, ist extrem weit hergeholt."

Während die Kommission arbeitet, versucht die Opposition nach wie vor, einen Untersuchungsausschuss herbeizuführen. Derzeit steht die Onlinepetition bei 141.514 Unterstützern.

Man soll im Leben etwas schaffen, das Wert hat und bleibt, meint Griss. Sie weiß, die Aufklärung des größten Wirtschaftsdebakels der Republik könnte genau so etwas sein. Aber ihr härtester Fall? Nein, es habe härtere Aufgaben gegeben. Etwa jene, in denen es um das Wohl von Kindern ging und sie als OGH-Präsidentin ein Urteil fällen musste. "Da war es oft sehr schwierig, richtig zu entscheiden", sagt Griss, "Da ist die Hypo schon ein bisserl anders. Also das ist schon bewältigbar."


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