SFH-13849  Umweltrecht: Neuer Wortlaut, neue Streitthemen, 28.12.2016 | 18:34 |   (Die Presse)
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Einige Klarstellungen wären noch wichtig, meint ein Jurist.
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Wien. Die geplanten Änderungen bei der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) sollen Verfahren vereinfachen und beschleunigen. Eines der Streitthemen, die entschärft werden sollen, ist die Frage der sogenannten Kumulation. Gemeint ist damit, wie vorzugehen ist, wenn in einer Region mehrere ähnliche Projekte zusammenkommen – etwa Biomasseanlagen, Einkaufszentren, Gewerbeparks –, die für sich allein keiner Prüfpflicht unterliegen würden. Wann muss man diese als Gesamtheit betrachten?
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Um das zu klären, muss es unter bestimmten Voraussetzungen eine Kumulationsprüfung geben. Das soll der Tatsache Rechnung tragen, dass sich bei gleichartigen Anlagen die Auswirkungen auf die Umwelt summieren können. Zudem will man verhindern, dass Projektwerber ihr Vorhaben einfach aufsplittern, um die Prüfpflicht zu umgehen. Umstritten ist jedoch, wann genau eine solche Prüfung nötig ist. Der derzeitige Gesetzeswortlaut enthalte keine Einschränkungen, heißt es in den Erläuterungen zur Novelle, „eine Kumulation kann mit sämtlichen anderen geplanten und zumindest nach einem Materiengesetz eingereichten Vorhaben vorliegen". Es könne somit passieren, dass ein später hinzutretendes Projekt ein schon früher eingereichtes nachträglich in die Prüfpflicht zwingt. Selbst Vorhaben, die ein halbes Jahr später eingereicht werden, sind laut Judikatur in die Prüfung einzubeziehen.

Den Autoren des Reformentwurfs geht das zu weit. Sie halten es für überschießend, wenn ein Vorhaben zurück an den Start muss, obwohl dafür zunächst keine UVP-Pflicht festgestellt wurde und vielleicht sogar schon einzelne Genehmigungen vorliegen. Vielmehr müsse es genügen, nur bei jenem Projekt, das später dazugekommen ist, die Kumulationsprüfung durchzuführen.

So weit, so gut – die Tücke liegt jedoch, wie so oft, im Detail. Die Klarstellung sei zwar wichtig, der genaue Wortlaut könne aber neuerlich zu Problemen führen, befürchtet Anwalt Wolfram Schachinger. Man könne etwa darüber streiten, wann ein Projekt „gleichartig" ist: Ist etwa ein Parkplatz faktisch das Gleiche wie eine Parkgarage?

Außerdem heißt es in der Neuregelung, dass neben bereits bestehenden oder genehmigten Vorhaben auch solche zu berücksichtigen sind, für die es einen Antrag „mit vollständigen Antragsunterlagen" gibt. Aber wer beurteilt, ob ein Antrag vollständig ist? Und wie streng soll der Maßstab sein? Auch das sei unklar, meint der Jurist.

Eine andere Problematik gibt es bei Vorhaben in besonders schutzwürdigen Gebieten. Dort gelten niedrigere Schwellenwerte für die Kumulationsprüfung. Die Frage ist aber, wie umfassend geprüft werden muss: Nur im Hinblick auf den jeweiligen Schutzzweck (z. B. in Wasserschutzgebieten auf das Wasser)? Oder auf sämtliche Umweltauswirkungen? Früher sei es üblich gewesen, nur hinsichtlich des konkreten Schutzzwecks zu prüfen, dem erteilte die Judikatur jedoch eine Absage. „Es müssen also die Auswirkungen auf die gesamte Umwelt geprüft werden. In der Praxis schafft das enorme Probleme", sagt Schachinger. Das zu entschärfen, habe man im Zuge der Reform verabsäumt.

 

Stromnetzausbau

Ein erklärtes Ziel der Novelle ist es auch, den Ausbau des Stromnetzes für die Energiewende zu erleichtern. „Upgrades" bestehender Trassen sind aus Umweltgesichtspunkten meist besser, als wenn zusätzlich neue angelegt werden müssen. Bislang ist aber auch für den Ausbau der bereits vorhandenen Trassen zwingend eine UVP vorgeschrieben. Davon will man künftig abgehen: Wenn die Nennspannung um mindestens 25 Prozent, aber nicht mehr als 100 Prozent, und die Leitungslänge um nicht mehr als ein Zehntel erhöht wird, soll zunächst in einer Einzelfallprüfung abgeklärt werden, ob eine UVP nötig ist. „Die Beschleunigungswirkung ist damit aber dahin", sagt Schachinger. Im Endeffekt könne das erst recht zu langwierigen Streitigkeiten mit Anrainern – und letztlich doch zur UVP-Pflicht führen. Die Einzelfallprüfung würde dann zur zeitintensiven Zusatzaufgabe. Eine Alternative wäre aus seiner Sicht, derartige Upgrades überhaupt von der UVP-Pflicht auszunehmen. Für andere technische Anpassungsmaßnahmen gebe es eine solche Ausnahme schon jetzt. (cka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2016)

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