SFH-141180  New York City muss Untergang im Meer fürchten.

Ihre geografische Lage macht die US-Metropole sehr verletzlich: New York ist auf einer Liste von 13 Städten, die vom Meer bedroht werden, ein klarer Verlierer.


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Prognosen erinnern an Science Fiction: Eine Flutwelle bricht im Kinofilm
Prognosen erinnern an Science Fiction: Eine Flutwelle bricht im Kinofilm "The Day After Tomorrow" über New York City herein

Quelle: dpa/90061/KPA


Während der Rushhour, zwischen vier und sechs Uhr am Nachmittag, strömen Tausende Pendler aus der U-Bahn-Station South Ferry am südlichsten Zipfel von Manhattan. Sie gehen ein paar Schritte hinüber zum Whitehall-Terminal, um dort eines der Schiffe zu besteigen, die sie hinüber auf die Nachbarinsel, nach Staten Island bringen. Auf ihrem Weg zur und von der Arbeit fahren sie vorbei an der Statue of Liberty und an Ellis Island, der Insel, wo viele ihrer Vorfahren zum ersten Mal amerikanischen Boden betraten. Die 25-minütige Überfahrt ist einer der wenigen Momente, in denen sich New Yorker bewusst werden, dass ihre Stadt von allen Seiten von Wasser umgeben ist – New York ist quasi eine Insel.

Genau diese geografische Lage macht die Metropole so verletzlich. Dass die Landkarte der fünf Stadtteile – Manhattan, Brooklyn, Queens, der Bronx und Staten Island – in nur ein paar Jahrzehnten anders aussehen wird, ist schon seit Längerem bekannt. Uferbereiche, die noch grün oder grau auf Karten eingezeichnet sind, werden vom Meer angeknabbert. Rund um Manhattan wird ein schmaler Streifen zukünftig wohl in Blau gezeichnet werden müssen.

Doch wie sich der Klimawandel und damit der Anstieg des Meeresspiegels genau auf die Region auswirken wird, war bislang nicht im Detail bekannt. Im Jahr 2007 veröffentlichte der Weltklimarat (IPCC) einen Bericht, in dem der globale Anstieg des Meeresspiegels auf 21 bis 48 Zentimeter geschätzt wurde. Diese Zahl war eine grobe Schätzung für alle Ozeane, sie bezog etwa die Eisschmelze in Grönland und der Antarktis nicht ein.

Über dem Café „Tom's Diner" am Broadway sitzt Dan Bader in seinem Büro, das er sich mit anderen Forschern des Goddard Institute for Space Studies teilt. Auf seinem Computerbildschirm sind unendlich viele Zahlen zu sehen – das ist der Datensatz für seine Prognosen. Er hat mit dem Columbia University Earth Institute und der Stadt New York zusammengearbeitet, um ein genaues Klimamodell für die Region zu erstellen.

Dazu verwendete er auch die Erkenntnisse des IPCC. Er legte einen Raster über die weltweite Klimakarte. Für das Viereck, das sich über Metropolregion New York befand, errechnete er verschiedene Szenarien, etwa wie sich ein erhöhter CO 2 -Ausstoß auf die Stadt und ihre nähere Umgebung auswirkt.

„Man bekommt eine gute Ahnung, was passieren könnte", sagt Bader, „aber wir wissen nicht, was genau geschehen wird." Die durchschnittliche Temperatur wird nach Baders Modell um zwei bis vier Grad Celsius steigen. Zudem werden Hitzewellen die Millionenstadt öfter und für längere Zeit lahmlegen.

Doch das größte Problem sieht Bader im Anstieg des Meeresspiegels, den er für sehr wahrscheinlich hält. Er rechnet im schlimmsten Fall mit bis zu 58 Zentimeter höheren Wasserständen an den Ufern bis zum Jahr 2080. Neben der Anlegestelle zur Staten Island Ferry liegt der Battery Park. Das Land wurde im 19.Jahrhundert dem Wasser durch Aufschüttung abgerungen.

Heute vertreten sich hier Touristen und Banker aus dem nahen Financial District die Füße. Diese würden schon nass werden, wenn Baders Prognosen Wirklichkeit werden. Doch der niederländische Physiker Roderik van de » Wal von der Utrecht University rechnet für New York mit noch höheren Pegeln. Dann könnten der Hudson River, der East River und das Meer, Gewässer die an diesem Punkt der Insel zusammenfließen, den Battery Park zumindest teilweise zurückerobern.

Van de Wal und seinen Kollegen ist es gelungen, ein individuelles Klimamodell für alle Regionen der Welt zu erstellen. Er arbeitet wie Bader mit den globalen Daten des Weltklimarats, bezieht zusätzlich aber Faktoren mit ein, aus denen sich lokale Prognosen ableiten lassen. New York ist auf van de Wals Liste von 13 Städten, die vom Meer bedroht werden, ein klarer Verlierer. Rund 65 Zentimeter könnte das Wasser an den Ufern der Metropole nach van de Wals Rechnung steigen – also rund 35 Prozent höher als die frühere Prognose des IPCC.

Warum es die Stadt so viel härter als andere Küstenregionen trifft, liegt unter anderem an ihrer weiten Entfernung zu den Polen. „Intuitiv klingt es falsch", sagt van de Wal, doch der Meeresspiegel werde dort, wo große Eismassen schmelzen, nur geringfügig steigen. Das Gletscherwasser verteilt sich nicht gleichmäßig im Ozean. In einem Radius von über 2000 Kilometern rings um den Ort der Schmelze bleibt der Wasserstand in etwa gleich, danach steigt er an.

Das liegt an der Anziehungskraft, welche große Eismassen auf das Meereswasser ausüben. Schmilzt das Eis, nimmt diese Kraft um die Eisfläche herum ab. Da New York rund 3000 Kilometer von der Arktis und über 10.000 Kilometer weit entfernt von der Antarktis ist, profitiert die amerikanische Metropole nicht von niedrigen Wasserständen an den Polen.

Anders ist das in der isländischen Hauptstadt Reykjavík. Hier wird die Auswirkung des Klimawandels auf den Meeresspiegel durch den Effekt gemildert. Um 25 Zentimeter soll das Wasser bis zum Ende des Jahrhunderts steigen, also im Rahmen der Zahlen des Weltklimarats.

Ein Grund dafür, dass das Wasser bei Island dennoch anschwillt, ist, dass es dort wärmer wird. Dadurch nimmt das Volumen des Meerwassers zu. Durch das Gletscherwasser sinkt der Salzgehalt des Ozeans – was ebenfalls zu einer Ausdehnung des Wassers führt. Lokale Einflüsse wie höhere Temperaturen und veränderte Strömungsverhältnisse spielen auch in New York eine große Rolle. Sie sind für etwa ein Drittel des vorhergesagten Pegelanstiegs verantwortlich.

Eine andere Ursache liegt bereits rund 20.000 Jahre zurück. Während der letzten Eiszeit waren große Wassermassen gefroren und lagen schwer auf den Kontinenten. Das Wasser hatte sich als dicke Eisschicht auf das Land zurückgezogen und komprimierte, weil es so schwer war, die Erde unter sich. Weil das Wasser woanders war, sank der Meeresspiegel im Durchschnitt um 150 Meter. Als es vor rund 6000 Jahre taute, konnte sich der vom Eis befreite Boden wieder entfalten.

Diese Bewegung ist noch immer nicht abgeschlossen und beeinflusst zusätzlich zum Klimawandel den Wasserstand der Meere. Auch dieser Effekt trifft New York unglücklicherweise besonders stark. Rund 18 Zentimeter des zu erwartenden Pegels gehen auf die Spätfolgen der letzten Eiszeit zurück.

Van de Wal geht davon aus, dass seine Daten in den nächsten Bericht des Weltklimarats einfließen werden, der in zwei Jahren erscheinen soll. Seine lokalen Voraussagen über die Folgen des Klimawandels seien wichtig. „Das ist es doch, worauf es letztendlich ankommt", betont van de Wal, „Prognosen sind die Grundlage dafür, wie man auf den Klimawandel reagiert." New York bereitet sich vor.

Bürgermeister Michael Bloomberg stellte bereits 2007 mit PlaNYC2030 eine Strategie vor, wie New York vor den Folgen des Klimawandels bewahrt werden soll. Der erste von drei Schritten – die Analyse gefährdeter Infrastruktur – ist abgeschlossen. Nun hat die Stadt noch 20 Jahre Zeit, um ihren Plan umzusetzen – damit die Staten Island Ferry auch in Zukunft noch von derselben Stelle ablegen kann wie heute.


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